Wenn man sich nicht gleich bei X.com informiert, muss man wohl eine Schweizer Zeitung lesen, um zu erfahren, wenn sich deutsche Regierungsmitglieder in der Öffentlichkeit unmöglich machen. DPA berichtete mit drei Tagen Verspätung staatstragend aus der Perspektive von Robert Habeck. Tagelang hatte nur das von Mainstream-Journalisten vielgeschmähte Nachrichtenportal Nius von Julian Reichelt und wenige andere alternative Medien berichtet.
In der Version des DPA-Berichts der Rheinischen Post wird mit keinem Wort die Frage der Verhältnismäßigkeit der überfallartigen Aktion vor Morgengrauen angerissen – eine Hausdurchsuchung wegen des Retweets eines nicht ganz feinen, aber doch eher harmlosen „Memes“. Staatstragend heißt es nur, dass eine Hausdurchsuchung richterlich angeordnet wurde, dass die Ermittlungen laufen und dem Beschuldigten eine schwere Strafe droht. Und am Ende dann noch ein Absatz über die Zunahme von Hass und Hetze im Netz.
Die Nachrichtenagentur hat seit 2021 rund zwei Millionen Euro vom deutschen Staat bekommen. Eine unbekannte Summe, die DPA für die deutsch-österreichische Beobachtungsstelle für digitale Medien (Gadmo) von der EU bekommt, ist dabei nicht eingerechnet. In meinem Bericht hierüber zähle ich einige Beispiele übermäßig willfähriger DPA-Berichte auf. Offenbar ist das Steuergeld im Sinne der Regierung bei DPA gut angelegt.
Zum Vergleich die Neue Züricher Zeitung (NZZ), ebenfalls sehr spät, aber die NZZ ist ja immerhin eine Auslandszeitung. Sie steigt in den Beitrag direkt mit der Frage der Verhältnismäßigkeit ein, dem einzigen Grund, warum Habecks Anzeige und die Hausdurchsuchung ein Nachrichtenthema ist:
„Ist es gerechtfertigt, dass die Bezeichnung «Schwachkopf» eine Hausdurchsuchung nach sich zieht? Geht es nach dem Wirtschaftsminister und angehenden Kanzlerkandidaten der Grünen, Robert Habeck, ist es das wohl. Der Minister soll Strafantrag gestellt haben gegen einen 64-jährigen Mann aus Bayern, der auf der Plattform X ein Bild teilte.“
Die Berliner Zeitung berichtete immerhin einen Tag früher und problematisierte das Thema angemessen, hatte aber noch nicht so viele Informationen. Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki wird über Habeck mit den Worten zitiert: „Er glaubt offenbar, er sei der Gesalbte.“ Viele andere Zeitungen zieren sich offenbar, jetzt noch in das Thema einzusteigen, nachdem sie es schon so peinlich lange totgeschwiegen haben.
Der Stern entschied sich am Freitagabend gegen die Übernahme der peinlich-obrigkeitshörigen DPA-Meldung und recherchierte selbst. Im Ergebnis nahm er die Einschätzung eines Strafrechtsexperten in die Überschrift, die Hausdurchsuchung sei „hochproblematisch“ und die Strafbarkeit der Weiterverbreitung des fremden X-Posts zweifelhaft. Aus dem Umfeld des überaus dünnhäutigen und anzeigefreudigen Wirtschaftsministers erfuhr das Magazin, dass Habeck von der Polizei auf den Post aufmerksam gemacht worden sei und daraufhin Anzeige erstattet habe. Danach habe er nichts mehr mit der Sache zu tun gehabt.
Staatsanwaltschaft mit ungelenkem Rettungsversuch
Während die DPA und damit auch die deutschen Mainstream-Medien noch vornehm schwiegen, war die verantwortliche Staatsanwaltschaft Bamberg durch den Aufruhr in den sozialen Medien schon massiv unter Druck gekommen und verstrickte sich bei der Verteidigung ihrer Aktion in Widersprüche. Sie verwies darauf, dass es auch den Anfangsverdacht der Volksverhetzung gegeben habe. Für den skandalösen richterlichen Durchsuchungsbeschluss spielte der aber keine Rolle. Er wurde allein mit dem Vorwurf der Majestätsbeleidigung („Person des politischen Lebens“) begründet. Der Verdacht auf Volksverhetzung ist ohnehin albern, da in dem Monate-alten Tweet, um den es mutmaßlich ging, klar erkennbar war, dass das Nazi-Regime abgelehnt und nicht verherrlicht wurde (siehe NZZ-Bericht).
Staatsanwälte sind in Deutschland skandalöserweise an Weisungen der Regierung gebunden. Die Hausdurchsuchung war Teil eines bundesweiten Aktionstags gegen Hass und Antisemitismus im Netz, für den sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) öffentlich eine Feder an den Hut steckte. Die Staatsanwaltschaft Bamberg ist an Weisungen der bayerischen Regierung gebunden. Das heißt nicht, dass es im konkreten Fall eine Weisung gab.
Rechtswidrigkeit in ähnlichem Fall festgestellt
Das Landgericht Hamburg hat in einem sehr ähnlichen Fall bereits 2022 geurteilt, dass eine Hausdurchsuchung wegen Majestätsbeleidigung von Innensenator Andy Grote (SPD) unverhältnismäßig und damit rechtswidrig gewesen sei. Der von sechs Polizisten in seiner Wohnung überfallene Beschuldigte hatte getwittert: „Andy, Du bist so 1 Pimmel“. Das Verfahren wegen Beleidigung wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt. Die Staatsanwaltschaft in Bamberg und ihre politischen Aufseher in München kümmern solche Präzedenzfälle offenbar nicht. Man geht auch mit rechtswidrigen Hausdruchsuchungen kaum ein Risiko ein. Grote ist immer noch im Amt und der Überfallene bekam weder eine Entschuldigung von ihm noch eine Entschädigung vom Staat. Damals hatten sich übrigens – ganz anders als im Habeck-Fall – neben der rechten auch die linke Seite des politischen Spektrums und die Medien über den polizeilichen Übergriff ereifert.
Kein harmloser Übereifer eines Staatsanwalts
Nichts wäre falscher als diesen Vorgang als bedauerlichen Ausrutscher eines übereifrigen Staatsanwalts beiseitezuwischen. Die Einschüchterung von Menschen, die sich über die Regierung lustig machen könnten, hat System. Das hat Julian Reichelt schon im Februar in einem Video aus Anlass einer Hausdurchsuchung bei einem Habeck-Kritiker gut herausgearbeitet. Damals war die bayerische Polizei zu einer Hausdurchsuchung angerückt, weil jemand Spottplakate gegen die Grünen und deren Führungspersonal in seinem Garten aufgehängt hatte.
Reichelt zeigte damals, wie die grüne Familienministerin Lisa Paus kämpferisch betonte, dass sie nicht mehr hinnehmen wollte, dass Regierungskritiker sich wissentlich in dem Bereich tummeln, der gerade noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und deshalb ein Denunzierungsportal einrichtete. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) tritt in dem Video mit der Ankündigung auf, eine Früherkennungseinheit für Desinformation und Delegitimierung der Regierung (z.B. manipulierte Fotos und Videos) in ihrem Ministerium einzurichten, die im Sommer die Arbeit aufnehmen sollte. Zitat Reichelt: „Was Nancy Faeser mit Delegitimierung meint, erfahren Sie leider erst, wenn die Polizei nachts an Ihrer Wohnungstür klingelt.“
Nachzulesen waren Faesers totalitäre Absichten auch auf Tagesschau.de im März. Die Grünen fanden das demnach gut, der CDU-Mann Roderich Kiesewetter schlug laut diesem Bericht sogar vor, die Erkenntnisse dieser Einheit per Warn-App an die breite Bevölkerung zu versenden, ähnlich wie Katastrophenwarnungen. Das auch von der Regierung finanzierte „Faktenschecker“-Kollektiv Correctiv hielt, wie Reichelt damals berichtete, einen Workshop ab, in dem Correctiv-Experten Verfassungsschützer in „Prebunking“ unterrichteten, also in der Früherkennung und Diskreditierung von falschen und unerwünschten Thesen, bevor diese sich weit verbreiten. Die Co-Chefin von Correctiv, Jeanette Gusko, hat die Organisation vor kurzem in Richtung Wahlkampfteam von Robert Habeck verlassen.
Fazit
Dass Menschen, die sich über eine hier und da durchaus kritikwürdige Regierung öffentlich lustig machen, großen Ärger mit der Polizei bekommen, ist Ausfluss eines angekündigten Durchgreifens der Regierung gegen ihre Kritiker, mit Unterstützung oder mindestens stillschweigender Duldung durch weite Teile der Opposition. Das geschieht unter dem arg zerschlissenen Deckmantel der Selbstverteidigung gegen feindliche russische Bestrebungen, die Gesellschaft zu spalten und das Land zu destabilisieren. Die Bevölkerung soll eingeschüchtert werden. Zu nichts anderem dienen nächtliche Hausdurchsuchungen aus nichtigen Anlässen. Massenhaft anzeigende Politiker wie Robert Habeck, Annalena Baerbock oder die (anti-)liberale Rüstungslobbyistin Strack-Zimmermann können sich nicht damit herausreden, sie würden sich ja nur gegen Hass und Hetze wehren. Sie wollen Kritiker mithilfe der Staatsgewalt einschüchtern (siehe auch Nachtrag).
Nachträge zu Strafanzeigen von Ministern. rechtl. Hintergründen und einer weiteren Hausdruchsuchung (17.11.)
Rechtliche Hintergründe des Durchsuchungsbeschlusses, die von der Staatsanwaltschaft seltsam im Nebel gelassen werden, analysiert Legal Tribune Online.
Eine Rangliste der Strafanzeigen von Bundesministern in den drei Jahren bis August 2024 aufgrund von Angaben des Bundesjustizministeriums gibt es von Statista. (via Florian Gallwitz auf X.com). Danach führen die grünen Minister Robert Habeck und Annalena Baerbock mit 805 und 513 Anzeigen mit weitem Abstand vor dem drittplatzierten FDP-Minister Marco Buschmann mit nur 26 Anzeigen. Die ebenfalls extrem anzeigefreudige Strack-Zimmermann ist nicht mit aufgeführt, weil keine Ministerin.
Eine Hausdurchsuchung hat in Bayern auch schon im Frühjahr stattgefunden, weil eine alleinerziehende Mutter mit nach eigener Aussagen geringer Reichweite eine nicht selbst erstellte Bildcollage (Meme) mit satirisch-gehässig zugespitzten Zitaten von Scholz, Lindner, Habeck und Baerbock geteilt (weiterverbreitet) hatte. Wie Apollo News berichtet, wurde dabei auch der Laptop des Sohnes beschlagnahmt. Die Frau akzeptierte eine Strafbefehl über gut 1.000 Euro wegen Beleidigung und Verleumdung.
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